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Ein Körper - so hat mal ein weiser Mann gesagt - ist wie ein Tempel. Gemeint hat er damit, die Hauptsache spielt sich wohl innendrin ab. Oder? Wurscht, der Mann ist tot.

Hat man sich früher von Krinolinen über Schnürmieder und Kettenhemden schon drastische Deformierungen zugezogen, so schwappte die Lust an der Verhäßlichung zu den Einheitsklamotten der Chinesen, der Nasen- Kinn und Ohrenkeilträger im schwarzen Kontinent und kam schlußendlich in der Jetzt-Zeit an. Der Körper sei dein Tempel.

Eine eher harmlose kultische Handlung des westlichen Humanoiden ist die Beschäftigung mit seinen Haaren: Tragen die US-Amerikanerinnen seit 50 jahren stets tornadosichere Frisuren, so nur deshalb, weil sie sich durch exzessiven Spraygebrauch daraus einen Helm sprühen. Denn wehende Haare erinnern an Hippies und weil Hippies kiffen, muß die Frisur sitzen. Oder ähnlich albern. Haare an Beinen, in den Achseln und neuerdings auf der Brust werden epiliert, rasiert, mit Heißwachs ausgerissen, die Schamhaare werden gezupft, zu Ornamenten geschnitten und schließlich eingefärbt. Die Contenance eines Gynäkologen möchte man haben.

Wenn man ein junger Kerl ist unter 25, muß man einen Beatles-Topfschnitt haben, der mit Gel flach ins Gesicht geschmiert wird. Die Spitzen dieser Kopfhautauswüchse haben eine andere Farbe als der Rest. Brutal cool. Meistens schielen die Jungs, weil sie durch die Strähen durchschauen müssen und das sieht eigentlich nach Schaf aus.

Tattoos, ja die sind auch schick. Am besten irgendeinen quasi-mythologischen Schnörkel, der sich richtig geil auf einem unbehaarten Bizeps macht. Oder "Mama" auf dem Oberarm. Man stelle sich vor, ein starker Ritt, man öffnet die Augen und liest verschleiert "Mama" vom tropfenden Held. Unvergeßlich. Ich höre die Nachtschwestern jetzt schon kichern, wenn dereinst der tätowierte Rentner das Zeitliche segnen soll und die Pfleger aus Langeweile Buchstabenraten spielen angesichts der runzligen Hautverletzung. Bei Stieren nennt man so etwas übrigens Brandzeichen, damit man gleich weiß, wessen Vieh sie sind.

Und wenn die Fitness-, Wellnessorgie nicht gekommen wäre, könnte man sich heute noch nicht vorstellen, daß man Frischhaltefolie auch um dellige Oberschenkel wickeln kann, anstatt über die Schüssel mit dem Rest vom Risotto. Mir doch egal, wie anderer Leute Oberschenkel aussehen. Bin doch kein Bademeister.

Am besten finde ich aber noch die Gepiercten. Bei einem Augenbrauenpiercing, das leidlich unprofessionell durchgeführt wurde, kommt es zur müden Karl-Dall-Imitation und bei den Nasegepiercten müssen sich die Papiertaschentucherfinder noch mal überlegen, was "reißfest" in der heutigen Zeit bedeuten soll. Schon mal gesehen, einen nasengepiercten Erkältungskranken? Nicht sehr dekorativ, das weiße Fetzchen, das sich zuweilen verfängt. Nur noch zu toppen durch das Zungenpiercing, daß bei Ungeübten an die Zähne schlägt, und deshalb an mittelafrikanische Klack-Sprachen erinnert; nach einer Weile allerdings nur noch durch die vermeintlich angetrunkene, zungenschwere Aussprache zu identifizieren ist. Lallen ist zu viel versprochen.

Oder doch die 200-Gramm-Silikon-Gespräche der A-Körbchen-Fraktion, die sich nach einem Jahr ohnehin mindestens einen halben Liter Einlage pro Mops transplantieren lassen. Richtig lustig wird's dann aber, wenn sie sich darüber beschweren, daß sie intellektuell gar nicht mehr ernst genommen werden. Ja, wer spricht schon über Politik mit einem laufenden Airbag? Wer kann ohne zu lachen mit einem Menschen kommunizieren, dessen Stirn sich vor lauter Nervengift anfühlt wie das sprichwörtliche Brett? Man wartet eigentlich darauf, daß der Mund im erotischer O-Form stehenbleibt, so sich die Mädels das Wort "Botox" gemerkt haben sollten. Vorausgesetzt natürlich, daß sich die Lippen im 195/65/15-Format noch bewegen lassen. Ich habe nach all' den Jahren endlich das Wort "Pirelli-Kalender" verstanden.

Echt kultig.