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Dorfratschn sind wie BILD Zeitungen, die atmen können. Grell, überall bekannt, mit unzulänglichen Informationen den größten Erfolg einheimsend. Oder?

 

Das Wort "Ratsch" oder "Ratsche" hat mehrerlei Bedeutungen. Es ist z.B. auch ein Werkzeug, um Schrauben festzudrehen, oder ein Spielzeug, um beim Fasching eine Menge überflüssigen Krach zu machen. Dem Werkzeug sei es unbenommen, daß es sich stets um sich selbst drehen muß, das arme Teil, aber die Krachmacherbedeutung erhellt den Begriff "Dorfratschn" vielleicht ein wenig mehr. Warum macht man diesen Krach? Ach, die guten alten Heiden wollten damit böse Geister vertreiben. Im Laufe der Zeit verlieren sich diese alten Hintersinne. Heute macht man Krach des Lärms wegen. Lärm ist laut und laut ist gut. Fällt auf, weckt Aufmerksamkeit . Jetzt hammas!

Eine klassische Dorfratsche oder Ratschkathl hat ihre Ohren überall und spricht viel und gerne mit. Deshalb braucht sie stundenlang zum Einkaufen, weil der Weg zwischen Metzgertheke und Kasse mit unzähligen Geschichten gepflastert ist. Sie braucht auch länger als andere Leute, wenn sie ihr Auto in die Werkstatt bringt, denn dort ist gleich eine Tankstelle. Wenn sie lange genug beim Bezahlen trödelt, kommt sie alle 10 Minuten einem neuen Gesprächspartner in die Quere. Das Auto wird bestaunt, belächelt, geschätzt und mit dem nächsten verglichen. Hat der jetzt wirklich einen größeren?
Aber sonst behält sie alles für sich. Bis zum nächsten Gespräch. Dort gibt sie das Gesagte, natürlich unter dem Mantel der Geheimhaltung weiter. Nun ist es so, daß die meisten Informationen oder Neuigkeiten weder informativ noch neu sind, weshalb es dringend notwendig ist, ein bisserl schmückendes Beiwerk dazu zu dichten.
Hierzu ein Beispiel:
Eine nicht mehr ganz taufrische Frau verstaucht sich den Knöchel beim Garteln. Sie hat sich blöd gebückt, ein bißchen zu viel getragen und humpelt mit einem frischen Verband durch den Ort. Begegnet sie der Dorfratschn, wird sie gleich angesprochen, die Verletzung im Detail beackert und durch eine klitzekleine Notlüge beendet die junge Frau das Gespräch mit vorgetäuschter Eile. Dieser unspektakuläre Vorfall kreist nun im Hirn. Das nächste Opfer (an der Tankstelle z.B.) wird den Bericht über das "Unfallopfer" mit Staunen vernehmen: Die junge Frau ist beim Garteln auf dem Friedhof seitlich an der polierten Granitplatte abgerutscht, just in dem Moment, als sie das Familiengrab bepflanzen wollte, in dem übrigens noch ein Platz frei ist, seit der Uropa im vergangenen Jahr samt Fichtenkiste zusammengesackt ist. Spätestens beim übernächsten Palavern ist die leidlich übergewichtige Nachbarin an Knochenkrebs erkrankt, versucht dies aber durch ein gekünsteltes Dauergrinsen beim Anstehen an der Metzgertheke zu überspielen.
Wie es weiter geht, wissen Sie? Wird der Witwer das Haus verkaufen? Und vor allen Dingen: Wo soll die Katze hin?