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Für’s Leben lernen, hieß es früher mal. Im Gegensatz zu „für die Schule lernen“. Aber das hat ja längst ausgedient. Heute heißt es „das ganze Leben lernen“. Am besten täglich.
Das ist eigentlich gar nicht so schwer, weil es ganz selten Tage gibt, an denen man so dumm ins Bett geht, wie man aufgestanden ist. Irgendwas lernt man immer. Und wenn es um so schlichte Tatsachen geht, daß es sein kann, daß drei Tage in Folge  unerträglich blöd sein können. Oder man schnappt auf, daß der ungarische Spitzpaprika jetzt um 10 Cent das Kilo teurer geworden ist.

Ja, man muß den Begriff des Lernens ganzheitlich betrachten und es erschließt sich die große weite Welt der Erkenntnisse, die sich im schlimmsten Falle allesamt ins Langzeitgedächtnis graben. Schrottwissen, das man irgendwann oder niemals wieder braucht.

Und dabei weiß man immer noch nicht genau, wie Lernen eigentlich funktioniert. Gespenstisch, nicht wahr?
Anders ist es mit dem professionalisierten Lernen. Da wissen die Referenten ganz genau, wie das geht. Ein ausgefeiltes Schulungskonzept sieht drei Tage für ein großes Thema vor. Hinterher sollen alle Schüler genau das wissen, was an Neuigkeiten im Skript steht. Können sie das, ist der Lehrer gut. Können sie es nicht, sind die Schüler blöd. Ganz leicht.
Jede moderne Schulung beginnt mit einer Vorstellungsrunde. Der Referent will den Namen, das Hobby oder einen Spruch hören. Er sagt selber auch brav diese Litanei auf, malt recht schön seinen Namen an das Flip Chart und jetzt kann angefangen werden. Im weiteren Verlauf interessiert ihn überhaupt nicht mehr, wer was von sich erzählt hat, denn es sollte nur ein „Aufwärmer“ sein, damit die Leute annehmen, sie wären sich ein bißchen vertrauter, weil die Sozialpädagogen sagen, in vertrauter Atmosphäre lerne es sich leichter. So intim, wie man nun beinander sitzt und weiß, daß die Krähe neben einem zwei Pferde hält, versucht der gelehrige Schüler, sich auf die Lerninhalte zu konzentrieren.
Es gibt sie, die Zeitgenossen, die tatsächlich lehren können. Das sind die raren Vertreter mit dieser Lust am Wissen und noch mehr Lust am Weitergeben desselben. Die mit dem reinen Spaß am Erklären, am Diskutieren und am Fragen. Die, die kapiert haben, daß ein guter Referent auch immer von seinen Schülern lernt.
Aber das sind die echten Ausnahmen. Leider fühlen sich viele Menschen, die ein Thema besser beherrschen, als ein Großteil ihres Umfeldes, schon allein durch diese Tatsache dazu befähigt, vor einer Gruppe Wenigerwissenden zu stehen und sie vollzusülzen. Und aus dieser Gruppe der Besserwisser rekrutiert sich ein Großteil der als „Trainer“ fungierenden Leute.
Deshalb merken sie auch nicht, wenn jemand kurz vorm Einschlafen ist oder seinen Garten skizziert. Verstehen nicht, daß der Typ in den Cordhosen deshalb so grinst, weil er an den Anblick seiner Bettgenossin denkt und nicht, weil er sich freut, daß er gerade etwas lernen darf.
Der klassische Seminarablauf teilt sich in Vortrag, Diskussion, Gruppenarbeit und Selbststudium. Wie immer. Wobei „Selbststudium“ des Trainers Liebling ist, weil er in dieser Zeit die „Motorwelt“ lesen kann oder seine Emails beantwortet. Nach drei Seminaren in Folge zum selben Thema langweilt ihn auch die Gruppenarbeit, weil die Fragen entweder so allgemein gestellt sind, daß man in der kurzen Zeit nur ebensolche Allgemeinheiten zum Besten geben kann, oder sie sind so speziell, daß die Zeit nicht reicht und man irgendeinen halbgaren Gedanken liefert, der einem einen Tag später richtig peinlich ist. Und wenn der Referent auch noch diese moderne Abscheulichkeit eines überflüssigen Fotoprotokolls anfertigt, ist das Wochen später wieder so, wenn die Email mit dem Fotoprotokoll das Postfach zumüllt. Man löscht so was.
Der Menüpunkt Diskussion wird entweder durch selbstherrliche Diskussionsverweigerer übergangen, oder der Referent ist des Moderierens nicht mächtig und die Beiträge zerfasern bis zur Unkenntlichkeit des Themas. Also bleibt nur das pädagogische Instrument des Vortrags. Hier kann man Zwischenfragen mutiger Kursler routiniert unterbrechen und auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Der Profi beantwortet sie im weiteren Verlauf kurzerhand mit dem harschen Hinweis: "Führt zu weit."
So kann man in drei Tagen eine Menge an schlechten Beispielen sammeln, kann lernen, wie quälend lang eine Stunde ist und wie man in einem engen Halbschuh Zehengymnastik macht. Man kann beim Minimaltraining der Rückenmuskeln einen aufgeweckt konzentrierten Eindruck machen und den Trainer erfreuen. Man kann auch das Skript aufschlagen und an alle Ränder riesengroße Fragezeichen malen, die er auch bestimmt sieht, wenn man entrückt in verschiedenen Farben so tut, als sei es ein Mandala. Oder man starrt ihm auf den Hosenlatz bis er sich umdreht und prüft, ob der Reißverschluß zu ist. Das kann man anzählen und mit der pferdebesitzenden Krähe wetten, wie lange es dauert.

Wie gesagt: Irgendwas lernt man immer.

Für Flo