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Es waren einmal Betriebsausflüge, Faschingsbesäufnisse oder einfach Firmenfeiern. Die sind gestorben und wiederauferstanden als „Kick-Off-Meeting“, bzw. Auftaktveranstaltung, bei denen, die noch Deutsch können. Es geht  hier um die betrieblichen Pflichtveranstaltungen zur Selbstbeweihräucherung, die je nach Unternehmenskultur einen anderen echt total pfiffigen Namen kriegen.

 

Eigentlich geht es bei all’ diesen Menschenansammlungen, zusammengewürfelt durch denselben Arbeitgeber, darum, eine Art Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, oder gar eine quasi-familiäre Atmosphäre aufzusetzen. Da eine normale Familie sich gegenseitig irgendwie verpflichtet fühlt, kann man diese unausgesprochene Pflicht ja ganz leicht auf die Kollegenschaft übertragen. Blutskollege sozusagen.
Meistens hat der Facility Manager, also der Hausl, eine Lautsprecheranlage in einen Saal geschleppt und ein schlecht ausgesteuertes Mikrophon drangestöpselt, an dem sich der Redner festsaugt und artig „eins, zwei“ sagt und hofft, es möge ihm nicht durch die Schwitzehände entgleiten, während er seine wohl durchdachte Ansprache hält.
Die verbalen Absonderlichkeiten, die nun zum Besten gegeben werden, hören sich überall gleich an:
"Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor uns liegt ein Jahr, das wir mit unserer ganzen Kraft angreifen müssen. Wir ziehen alle an einem Strang. Wir haben uns Ziele gesteckt, die anzupeilen unsere gemeinsame Aufgabe ist und die Strategie gibt jedem von Ihnen einen eigenen Beitrag vor. Ich kenne Sie, Sie stehen gewiß Gewehr bei Fuß und bilden eine treue Phalanx, die verbunden und stark diesen Berg der Zukunft erstürmt. Wir sind ein Team und sitzen in einem Boot und gemeinsam werden wir die Aufgabe meistern und diesen Sturm überstehen.“
Sülz-Bla-Blubb.
Bekannt?
Die Wörter „gemeinsam“, „wir“ und „Team“ sind die akustischen Joints der Jetzt-Zeit. „Laßt uns gemeinsam in die Zukunft schauen, gemeinsam etwas schaffen, auf die Beine stellen“, warum? Lernt man nicht, damit man etwas allein kann?
Ist es nicht so, daß man lieber seinen eigenen Strang hat, an dem man zieht und nicht mit allen anderen. Oder will man eigentlich überhaupt nicht an Strängen ziehen, weil man weder Glöckner noch Henker gelernt hat, sondern Sachbearbeiter beim Arbeitgeber Lachnet KG?
Die wenigsten wollen mit allen anderen in einem Boot sitzen, darin auch noch mit dem Strom schwimmen, weil immer irgendein Idiot anfängt zu schaukeln. Außer Söldnern will niemand „Gewehr bei Fuß“ stehen, weil es eigentlich verboten ist, jemanden zu erschießen. Nicht jeder will „gemeinsam“ etwas erarbeiten, weil sonst keiner mehr sieht, was man kann. Gemein und einsam sind wir schon alle.
Wer hat wirklich Lust auf diesen Militärjargon, mit Ausdünstungen wie an vorderster Front stehen und ein Ziel anpeilen, den steilen Hügel unseres gemeinsamen Weges erklimmen. Kaum einer peilt wirklich ein Ziel an, dessen Werkzeug ein Kugelschreiber ist und kein Nachtsichtgerät.
Das könnte man doch leichten Herzens den mitternächtlichen Heroen der Privatfernsehkultur überlassen, Dolph Lundgren oder ähnlichen muskelverschandelten Wirbelamöben.
Selbst die „runden Tische“  an denen man mit den Aktionspartnern oder Trägern, Verbündeten (gegen wen?) „kommuniziert“, sind überflüssig, weil man auch an eckigen Tischen mit Menschen sprechen kann. Also Angehörigen derselben Spezies, mit denen man allgemeingültige Töne machen kann. Ist das so schwer?
Und so vertut sich eine Chance nach der anderen. Eine Chance auf Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Individualität. Austauschbarer Wörtermüll.
Wie schön, daß es im Kopf tatsächlich einen Durchzug gibt.