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Das Schnäppchen Sagen Sie mal, wie finden Sie eigentlich das Wort "Schnäppchen"? Heutzutage bezeichnet sich ein gestandener 100 kg-Mann doch tatsächlich zuweilen als "Schnäppchenjäger", wie seltsam.

Was ist eigentlich ein Schnäppchen? Früher hat man ganz einfach "Sonderangebot" gesagt oder "Ausverkauf", oder in jüngerer Vergangenheit auch "Restemarkt". War ganz einfach, hat auch jeder begriffen. Da lagen halt die Sachen drin, für die sich Einzelwerbung nicht lohnt; das waren die Fehleinkäufe der frisch eingestellten Substituten oder einfach Ramsch. Betriebswirtschaftliches Grundwissen aus dem ersten Semester, sowas. Nach dem Motto, "Stell' den Krempel vor die Tür, vielleicht klaut es ja einer. Und bloß nicht anzeigen deswegen." Irgendwann wurde es den Werbeleuten aber doch zu mager, was aus der Restekiste geklaubt wurde und sie dachten sich etwas anderes aus: Appellierend an die niederen Instinkte des Durchschnittsmenschen, die sich vorwiegend im Drang nach "Jagen, Erlegen, Fressen, Freuen" äußern, erfanden sie den "Schnäppchenmarkt". Offen gestanden hört es sich ja auch besser an, wenn man der frisch gestylten Freundin ins gelochte Ohr hauchen kann, man habe da ein "Waahnsinns-Schnäppchen" gemacht. Das riecht nach EC-Karten-Blut! Das ist erbarmungsloses Ausweiden des Einzelhandels, gepaart mit geil-geiziger Konsumzurückhaltung! Die triviale Wahrheit wäre, daß das grellbunte Top aus der Restekiste eines Schuhladens stammt, in dem man sich Sonderangebotsbadeschlappen gekauft hat, deren Farbe zufälligerweise gerade modern und deshalb nächstes Jahr völlig indiskutabel ist. Dazu kommt, daß man, in Anlehnung an US-amerikanische Geisteshaltung sein eigenes Einkommen zunehmend zum Dauerthema macht. Es ist nicht mehr unfein, sein Minus auf dem Gehaltskonto zu offenbaren, stöhnend die Summe der Kreditlast zu benennen oder über Hühnerbeinpreise zu lamentieren. Das hat längst nicht mehr das armselige Image eines Knäckebrotessers, der die Klamotten seines älteren Bruders aufträgt. Die Adenauer'sche Scham, über die gähnende Leere im Geldbeutel das letzte Taschentüchlein zu breiten, ist längst einer aggressiven Demonstration eines schicken Sparzwanges gewichen. In diese Zeit paßt auch dieser harmlos-dämliche Streich des zuckenden Geldbeutels an der dünnen Schnur, nach dem sich jeder bückt. Und hier, genau hier kommt das "Prinzip Schnäppchen" ins Spiel. Eine Ware mit vorgegaukeltem Inhalt wird präsentiert. Dann wird ein bißchen an der Schnur gezogen, z.B. mit der zeitlichen Begrenzung eines Angebots oder mit der "Happy Hour" oder angeblichen Gratiszugaben. Und der moderne Mensch, der im Grunde seines Neandertalerherzens ein Keulenjäger ist, greift zu. Schnell und unbarmherzig. Schnapp! Aber weil wir eigentlich keine Neandertaler mehr sind, sondern moderne, aufgeklärte, keulenlose Menschen, reicht's nur zu dem "Schnäppchen". Hätten Sie das gedacht?